Manche Menschen behaupten, Emotionen seien die Empfindungen des Geistes, so wie physische Eindrücke die Empfindungen des Körpers sind. Emotionen bestimmen die Choreografie und den Fluss zwischenmenschlicher Interaktionen; sie sind das widerhallende Echo der Außenwelt. Erfahrung und Intellekt spielen ihnen zwar Informationen zu, doch manchmal weichen sie vom Weg der Vernunft ab, wie eine Art Strudel innerhalb ruhig dahinfließender Gedankenströme. Gefühle scheinen etwas zu sein, was sich der Geist selbst verschafft - oder aufbürdet. Nur wenige Menschen würden tatsächlich auf die Gefühle verzichten wollen, die den Körper beleben und den Geist befeuern. Die Mehrheit setzt Leben mit Fühlen gleich; emotionslos zu sein heißt, ein kaltes Zentrum zu haben, innerlich tot zu sein. Egal, wie weit sie uns auf Abwege führen oder unsere Existenz komplizieren, Gefühle sind von einer Unmittelbarkeit und Eindringlichkeit, die aufgeräumtem, vernünftigem Denken fehlen. So beherrschend und bedeutend Emotionen im täglichen Leben auch sein mögen, hielten viele Wissenschaftler sie über lange Zeit hinweg doch für trivial. In Ermangelung jeglicher Kenntnis der genauen Stoffwechselprozesse und der feinen elektrochemischen Verbindungen zwischen Nerven und Organen vermochten jene, die das Land der Gefühle auszukundschaften wagten, schwerlich erklären, warum und wie Menschen Gefühle erleben. Bis zum ausklingenden 16. Jahrhundert konnten sie lediglich Vermutungen über die komplizierten Prozesse anstellen, von denen man heute weiß, daß sie an der Entstehung von Gefühlsregungen und ihren körperlichen Äußerungen beteiligt sind. So glaubte man, daß unterschiedliche Organe bestimmte Stimmungen kontrollierten. Glücklichsein, hieß es, entspringe dem Herzen, Ärger der Leber, Angst den Nieren und so fort. Selbst im 17. Jahrhundert betrachtete René Descartes, der französische Philosoph und Mathematiker, den Gefühlsapparat des Körpers als eine im wesentlichen hydraulische Einrichtung. Er behauptete, man fühle sich ärgerlich oder traurig, wenn sich bestimmte innere Ventile öffneten und Säfte wie Gallenflüssigkeit und Schleim entließen. Erst im späten 19. Jahrhundert erkannte man allmählich, daß Gefühle nicht zufällig entstehen, sondern eine zentrale Bedeutung für das Geistesleben haben. (Quelle: Time Life, Faszination Menschlicher Körper: Das Gefühlsleben, ab S.10 ) |